Mann der zweiten Halbzeit

Kaiserslautern: Stefano Giannetti inszeniert das Ballett „Dornröschen“


Von Fabian R. Lovisa


Der Ballettchef des Pfalztheaters in Kaiserslautern beweist immer wieder Fantasie. So auch bei seiner Inszenierung des Balletthits „Dornröschen“: Stefano Giannetti übersetzt den gerade in der Weihnachtszeit arg strapazierten Klassiker in unsere Tage und hinterlässt damit zweifellos bleibende Eindrücke. Am Samstag war die Premiere.Was auf den ersten Blick erstaunlich scheinen mag, sieht auf den zweiten so naheliegend aus: Stefano Giannetti sucht sich statt der Märchenprinzessin eine real existierende. Lady Di und ihr schweres Schicksal sind das Thema seines zweistündigen Ballettabends im Großen Haus. Und so zeigt er das Leben der englischen Prinzessin von der Wiege an. Weitere Stationen sind das Werben diverser Prinzen um Dianas Hand, das keineswegs konfliktfreie Zusammenleben mit Charles, Dis Zusammentreffen mit Dodi Al-Fayed und das bekannte tragische Ende des Paares in den Trümmern einer Luxuslimousine. Die böse Fee lässt Giannetti von Anfang an als geheimnisvolle Figur durch die Szenen streifen, sie wird später zu Dodi Al-Fayed.Funktioniert diese Geschichte schon aufgrund ihrer inneren Logik, aufgrund der Parallelen zwischen Märchenfigur und realer Prinzessin, so wird sie um so plausibler angesichts der großen Nähe Dis zur Ballettsparte. Immerhin unterrichtete sie selbst als Tanzlehrerin und war Patronin des English National Ballet. Giannetti macht Dis Vorliebe überdeutlich, indem er sein englisches Thronfolgerpaar streckenweise im Auditorium Platz nehmen lässt.


Di, Charles und das Premierenpublikum verfolgen in diesen Momenten eine klassisch geprägte Aufführung, die insbesondere im zweiten Teil durch eine ungewohnte Leichtigkeit der Abläufe besticht. Überhaupt erweist sich Giannetti erneut als Mann der zweiten Halbzeit. Wie bei seinem großen Ballettabend „Liebesstürme“ im April, unter anderem mit der fünften Sinfonie Tschaikowskis, läuft die Compagnie erst nach der Pause zur großen Form auf. Vergessen sind da die bemühten Hebe- oder Drehfiguren des ersten Teils, stellenweise gibt’s sogar Szenenapplaus, vor allem für Gabriella Limatola und Michal Dousa als Aurora und Désiré.


Aber auch Di (Eleonora Fabrizi) und Charles (Chris Kobusch) haben im zweiten Teil ihre starken Momente, gerade wo es um ihr Zusammenleben geht, das mit den modernen Mitteln des Ausdruckstanzes in Szene gesetzt wird. Vollends gebannt verfolgt das Publikum Dianas Ende. Giannetti inszeniert einen wahrhaft fesselnden Abgang des tragischen Paares in Paris.


Überwiegt im tänzerischen Vokabular zur bilderreichen Musik Tschaikowskis die klassische Seite, so kleidet Michael D. Zimmermann die Tänzer entsprechend: märchenhaft, wo es um die Welt des Theaters auf der Theaterbühne geht, naturalistisch, wo der englische Königshof abgebildet wird. Fotoprojektionen von Gärten, prächtigen Sälen, dem Eiffelturm bebildern auf der von Thomas Dörfler eingerichteten Bühne das Geschehen zusätzlich. Aber auch das Orchester, an diesem Abend geleitet von Rodrigo Tomillo, hat seinen Anteil an der plastischen Schilderung. Engagiert und präsent setzt es den Notentext um und verpasst dem Klassiker eine ansehnliche Klangfarbenfülle.


Fazit: ein Tanzklassiker, auf originelle und gleichwohl behutsame Weise modernisiert.

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