Blinder Glaube: Braunfels-Oper in Kaiserslautern

Kaiserslautern. Durchschnitts-Deutschen, die sich ihre Patchwork-Religion aus Restbeständen Christentum und dem Esoterik-Dossier der "Brigitte" zusammenglauben, mag so viel tönender Katholizismus wie jetzt am Pfalztheater Kaiserslautern in Walter Braunfels' "Verkündigung" kitschig wie ein Heiligenbildchen vorkommen. Die Bekenntnisoper mutet einem ja auch etwas zu. Im mittelalterlichen Zentrum des Geschehens steht die blinde, tugendhafte Violaine, die Aussätzige küsst, allen verzeiht, selbst ein totes Kind zum Leben erweckt...

Braunfels (1882-1954) aber, dessen Karriere durch die Nazis jäh gestoppt wurde, schaffte es, die Frömmelei in seiner spätromantischen aber auch modernen Tonsprache auf eine gleichnishafte Ebene zu heben. In seiner Musik spiegeln sich ewige Fragen: Warum gibt es so viel Leid in der Welt? Und sie wirkt emotional enorm dicht, wenn etwa die beiden Schwestern Violaine und Mara zusammentreffen. Klang gewordene Psychologie: Adelheid Fink singt die Violaine mit expressivem Sopran - und doch voller Innigkeit. Melanie Lang gibt der bösen Schwester scharfe Kontur. Zudem schafft es Uwe Sandner mit seinem Orchester dieser Musik den großen Bogen zu geben, den sie braucht - mit ihren schicksalsmahnenden Trompetensignalen, aber auch den lyrischen Enklaven. Regisseur Urs Häberli ordnet die komplexe Handlung klug auf einer kargen Bühne. Problematisch aber, dass er andernorts übertreibt. Die tatsächlich blinde Violaine lässt er hellsichtig wandeln, die anderen stolpern verblendet von Frömmigkeit und Ehrgeiz maulwurfsblind umher. Das wirkt zuweilen unfreiwillig komisch. Zum Schluss noch eine Randbemerkung: Derjenige, der am engagiertesten für die Wieder-entdeckung von Braunfels' Werken kämpft, ist sein Enkel, der renommierte Architekt Stephan Braunfels. Eben jener, der gerade erste Skizzen für die Saarphilharmonie gemacht hat.

Oliver Schwambach

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