Eine sehenswerte AIDA-Produktion mehr
 
Am 10. September 2011 hieß es am Staatstheater Darmstadt „Bühne frei für AIDA!“; auf dem Spielplan stand jedoch ncht Verdis Oper, sondern das Elton John/Tim Rice-Musical. In der deutschen Fassung von Michael Kunze ist die tragische Liebesgeschichte in einer Neuinszenierung von Johannes Reitmeier zu sehen, und dieser hatte eine Reihe sehr gut funktionierender Einfälle.

Mit der genau richtigen Dosis an Abstraktheit spricht seine Inszenierung immer wieder eine klare, intensive Sprache, so zum Beispiel zu Beginn des zweiten Akts („Einen Schritt zu weit“), wo Aida, Amneris und Radames sich mit Augenbinden über die Bühne tasten. Ungereimtheiten - wie die Auspeitschung Amonasros, der seiner Tochter Aida gleich danach auf ihre Frage hin versichert, dass ihn niemand gequält habe - sind die Ausnahme. Unterm Strich unterhält und berührt Johannes Reitmeiers AIDA-Regie und überzeugt somit.


Wirkungsvoll ist auch die Bühne von Thomas Dörfler, die mit ihrer dreh- und teilbaren pyramidenförmigen Treppenkonstruktion immer wieder neue Bilder auf die Bühne zaubert und auch zu einem konkreten Ausdrucksmittel der Inszenierung wird (Stichpunkt: Nähe und Distanz zwischen Aida und Radames).
Visuell eindrucksvoll wird AIDA zudem durch die Videoprojektionen von Karl-Heinz Christmann, die das alte Ägypten zu neuem Leben erwecken.
Die ansprechende Choreografie von Anthoula Papadakis, flüssig unter Mitwirkung des hauseigenen Tanztheater-Ensembles umgesetzt, bringt lebendigen Ausdruck in die Produktion, ohne die Bühne zu überfrachten.

Die Kostüme stammen von Michael D. Zimmermann. Seine Designs erfüllen die Publikumserwartungen an die Optik das Musicals AIDA. Einzig Amneris’ Robe in der Szene „Sinn für Stil“ hätte man ausgefallener erwartet, damit Amneris, die ihrer Zeit stets deutlich voraus ist und Kleidung mit Anklängen verschiedener Epochen trägt, stärker in den Mittelpunkt gerückt wird. Die schrillsten, aufwändigsten Kleider werden von Herren getragen; diese „Travestie-Show“ wirkt effekthascherisch, ohne sich so ganz in die Handlung einzufügen.
Musikalischer Leiter ist Vladislav Karklin. Das Staatsorchester Darmstadt spielte die Premiere unter seinem Dirigat mit den nötigen Feingefühl für die Partitur.
Kraftvoll klingend erlebte man den Chor des Staatstheaters (Einstudierung: André Weiss) vor allem bei Titeln wie „Die Sonne Nubiens“.
In der Titelrolle der Aida steht mit Dominique Aref eine Künstlerin auf der Bühne, die Erfahrung als Aida mitbringt und diese Rolle gesanglich wie schauspielerisch sicher transportiert
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Ihr Bühnenpartner ist Chris Murray als Radames (alternierend: Martin Pasching). Chris Murray ist von Typ und Stimme her eine eher untypische Besetzung für diese Rolle; dadurch gibt gerade er dem Radames eine neue, interessante Note. In der Premiere präsentierte er sich rundum topfit.
Als Amneris ist Sigrid Brandstetter zu sehen. Sie füllt ihre Rolle souverän aus.
Mereb wird von Andreas Wagner verkörpert, der seine volle klassische Stimme einzubringen weiß. - In der Darmstadter AIDA-Produktion ergänzen sich verschiedenste Klangfarben zu einem ausgewogenen Gesamtklangeindruck. Positiv anzumerken ist auch, dass nicht einzelne Darsteller - positiv wie negativ - übermäßig aus der Besetzung herausstechen.
In der Rolle des intriganten, machtgierigen Zoser erhielt Randy Diamond starken Premierenapplaus. Er zeigte sich als Musicaldarsteller par excellence, der alle drei Sparten - Tanz, Gesang und Schauspiel -  beherrscht. Einem an sich recht harmlos klingenden Song wie „Eine Pyramide mehr“ verleiht er Biss!
Als Solisten waren am Premierenabend ferner Hubert Bischof (Pharao, alternierend dargestellt von Hans-Joachim Porcher), Sarah Rögner (Nehebka), Malte Godglück (Amonasro), Werner Volker Meyer (Krieger), Juri Lavrentiev (Nubier), Hanna Broström (Erste Nubierin) sowie Stephanie Eineder (Zweite Nubierin) mit ordentlicher Bühnenpräsenz zu sehen, die daneben auch der Chor des Staatstheaters Darmstadt auch die Statisterie des Hauses auf die Bühne brachten.
 
Fazit: Das Staatstheater Darmstadt hat mit AIDA eine ausgewogene Produktion dieses Musicals auf die Bühne gebracht, die einen Besuch lohnt.
 
Claudia Bauer-Püschel
(15.09.2011)