DIE RHEINPFALZ vom 23. Mai 2011

Klanggewaltiger Psychothriller

Das Pfalztheater Kaiserslautern präsentiert Giuseppe Verdis Oper „Ein Maskenball” als Seelendrama

Wer es gerne etwas gruseliger mag, war am Samstagabend im Kaiserslauterer Pfalztheater gut aufgehoben. Als klanggewaltiger Psychothriller um Macht, Liebe und Verrat entpuppte sich die Aufführung der Verdi-Oper „Ein Maskenball” unter der Regie von Holger Pototzki. Chor, Orchester und Solisten des Hauses sorgten für eine aufsehenerregende Premiere.
Giuseppe Verdis Musik bleibt immer schön, selbst dort, wo sie grausige Begebenheiten untermalt. Davon gibt es in dem dreistündigen musikalischen Seelendrama wahrlich genug. Diese wirkungsvoll herauszuarbeiten, sprich aus Verdis „Maskenball” mehr als einen gemütlichen Opernkrimi zu basteln, ist dem Regisseur jedenfalls gelungen: Das makabre Sortiment an lebenden Mumien, jede Menge schauerliche Masken, vor allem aber das spartanisch-kühle, Endzeitstimmung heraufbeschwörende Bühnenbild (Bühne: Thomas Dörfler) sorgten, ungeachtet des Verdischen Wohlklangs und der melodienseelig auftrumpfenden Solisten, für ein Horrorerlebnis allererster Güte.
Da wird kräftig mit Symbolen gearbeitet, angefangen mit dem überdimensionierten Thron. Die Herrschaft von Gustav befindet sich kurz vor dem Zusammenbruch. Das nackte Metall der gigantischen Lochplatten steht somit für den Untergang des schwedischen Reiches. Der Stuhl der Macht ist Gustav zu groß geworden. Im Hintergrund eine nebulöse und morastige Landschaft, die Reste eines Schlosses.
Wer Verdis „Maskenball” mit bunten Kostümen und fröhlicher Partystimmung assoziiert, wird der Aufführung wahrscheinlich leicht irritiert beiwohnen.
Es ist vor allem die innere Handlung, die Pototzki interessiert. Seine Protagonisten lässt er hilflos zwischen Sein und Schein, zwischen Realität und Traum dahinstolpern.
Da wäre der sogenannte „Geheime Ort”, eine Art Kräutergarten, bewirtschaftet von der Wahrsagerin Ulrica (Yanyu Guo). Hier tummeln sich die besagten Mumien, und hier empfiehlt die Kräuterhexe der vermeintlichen Ehebrecherin und Königsgeliebten Amelia (Adelheid Fink) eine Art Anti-Aphrodisiakum zur Bekämpfung moralisch unerwünschter Auswüchse der Liebeslust. Ihr Ehemann Renato (Michael Bachtadze), engster Vertrauter des Königs, ahnt nichts von ihrer Liebesgier, sorgt sich stattdessen um den König, warnt ihn vor den Verschwörern, die ihn vom Thron stürzen wollen.

Das traurige Ende ist bekannt. Nicht im stillen Kämmerlein, sondern unter dem Gelächter der Öffentlichkeit wird der Ehebruch bekannt, die Ermordung Gustavs durch seinen engsten Freund Renato wird von einer skurrilen Musikkapelle kommentiert - als „Danse Makabre” der besagten Mumien, die mit einem netten Liedchen ihre grausige Wiederauferstehung feiern. Das weckt Assoziationen zur bekannten Streichquartett-Szene kurz vor dem Untergang der Titanic - gespielt und gefeiert wird bis zum bitteren Ende.
Bestens besetzt sind die Hauptrollen. Steffen Schantz als König Gustav überzeugt durch sein stimmliches Stehvermögen und seine sehr beachtlichen Falsett- und Mezza-Voce-Qualitäten, die bei Verdi sehr wichtig sind. Denn gerade wenn es richtig dramatisch wird, müssen die leisen Töne sitzen. Einen wunderbar flexiblen Koloratursopran präsentiert Diana Tomsche als Page Oscar. Schauspielerisch überzeugend, aber in den Höhen wenig klangschön agiert Adelheid Fink in der Rolle der Amelia. Der große Star des Abends ist Michael Bachtadze. Seine Darstellung des Renato lässt keinerlei Wünsche offen - ein wunderbar kernig-männlicher Bariton mit enormen darstellerischen Kapazitäten.
Die klangprächtige Basis der Aufführung bildet das Orchester des Pfalztheaters. Till Hass arbeitet als musikalischer Gesamtleiter die der Oper innewohnenden Widersprüche zwischen zutiefst dramatischen Situationen und geradezu operettenhafter Untermalung mit viel Gespür für klangfarbliche Details heraus. Fazit: ein empfehlenswerter Opernabend für Verdi-Fans, die modernen Inszenierungen aufgeschlossen gegenüberstehen.

Markus Pacher

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