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vom 27. Mai 2011– Franz R. Stuke

Alptraum der Macht

Ein riesiger „Thron“ auf der Bühne, Symbol für „Macht“, Mittel der Miniaturisierung des „Menschlichen“; im Finale ein Toten-Orchester – der Alptraum der Macht ist unumkehrbare Realität. Holger Pototzkis schlüssig-bittere Inszenierungs-Idee verweist Amelia in die hoffnungslose Opferrolle, zeigt Renato als machtgeilen Adlatus. Ulrica als Orakel des Unheils, der Page als der heiter-tragikomische Kontrapunkt: Ein gespenstisches Umfeld für den König Gustavo, in dem menschliche Gefühle bloß als scheinbare Entlastungen im Totentanz fungieren können.

Thomas Dörflers monumentale Bühne – der beherrschende „Thron“ wie aus Hochbauteilen gepresst auf der Drehbühne, am Bühnenrand abwehrende urtümlich-unwirtliche Fels-Formationen. Tanja Hofmanns kreative Kostüme differenzieren zwischen den unterschiedlich Beteiligten an diesem Untergang der Macht und ihren so schwankenden Positionen.

Till Hass setzt mit dem sehr aufmerksamen Orchester des Pfalztheaters auf Verdis geniale „erzählend dramatisierende“ Klang-Vielfalt: von nahezu unhörbaren Pianissimi der Streicher bis zu eruptiven Crescendi als Mittel emotionalisierender Wirkung.

Das Kaiserslauterer Ensemble geht auf Musik und Regie-Konzept spielfreudig ein (wenn auch viele Passagen im Posieren verbleiben, und wichtige Arien an der Rampe zum Publikum hin gesungen werden): Adelheid Fink gibt der Amelia tragische Statur, kommuniziert mit ihrer transparent-variablen Stimme den Schmerz zerstörter Liebe. Steffen Schantz verfügt über große tenorale Kraft, kein Forcieren, stattdessen fließende Übergänge im emotionalen Wechsel. Den ambivalenten Renato präsentiert Michael Bachtadze mit kernig-durchsetzungsfähigem Bariton: sein Stimm-Volumen überzeugt auch in der Konfrontation mit den mörderischen Tutti des Orchesters!

Mit Yanyu Guo ist eine Ulrica zu erleben, die aus einer sicheren Mittellage souverän ekstatische Höhen bewältigt, als auch in den Tiefen intensiven Ausdruck vermittelt. Als Page wirbelt Diana Tomsche als verzweifelt Freude suchender „Kobold“ über die Bühne: ihre betörend „leichte“ Stimme völlig anstrengungslos auf die Rolle übertragend.

Daniel Böhm gibt dem beglückten Matrosen bemerkenswerte Ausdruckskraft; und Jörn E. Werner und Michael Hauenstein überzeugen mit sonorer Statur als Verschwörer.

Der Chor des Pfalztheaters (Leitung: Ulrich Nolte) demonstriert kollektiv abgestimmten Gesang par excellence, scheint aber Probleme mit dem individuell abgestimmten Spiel zu haben, die imaginativen zeitlupenhaften Abläufe geraten zu oft in singende Bewegungslosigkeit.

Das Publikum in Kaiserslautern: aufgeschlossen, diskussionsbereit, spürbar „stolz“ auf die Leistung „seines“ Theaters! Und nicht nur die andauernde Aufmerksamkeit und der intensive Schluss-Applaus vermitteln den Eindruck einer gelungenen Symbiose von Theater und Auditorium: Aus Anlass des UNESCO-Weltkulturtages liegen Unterschrifts-Listen aus – und wohl alle Besucher dokumentieren ihre Solidarität mit ihrem Pfalztheater! Wunderbar – so wird „Kultur“ zum öffentlich kommunizierten Inhalt gesellschaftlicher Realität!

Franz R. Stuke