Allgemeine Zeitung Mainz vom 14.4.2010                                                          

Oper im Maschinenraum

14.04.2010 - KAISERSLAUTERN

Von Axel Zibulski

WIEDERENTDECKUNG Erich Wolfgang Korngolds "Wunder der Heliane" in Kaiserslautern

Ein dunkler, kühler Maschinenraum aus der Industriezeit: Die visuelle Ästhetik von Fritz Langs Film "Metropolis" liegt nahe. Das Mittelalter-Mysterium vom "Wunder der Heliane" ist verlegt in die Entstehungszeit von Erich Wolfgang Korngolds 1927 in Hamburg uraufgeführter Oper. Seit einigen Jahren entdeckt das Pfalztheater Kaiserslautern Werke von Komponisten wieder, die seitens der Nationalsozialisten verfemt waren. Der 1897 in Brünn geborene, in Wien lebende Jude Korngold emigrierte nach Hollywood, wo er als Filmkomponist zweimal den Oscar erhielt. Dort starb er 1957, bis heute sind seine Werke auf der Bühne Raritäten.

Gewiss haben sich das Pfalztheater Kaiserlautern und das koproduzierende Theater in Korngolds Geburtsstadt Brno (Brünn) mit dem "Wunder der Heliane" ein sperriges, mit seinem Bezug auf das Mysterienspiel "Die Heilige" des österreichischen Expressionisten Hans Kaltneker auch zeitgebundenes Werk vorgenommen (Libretto: Hans Müller-Einigen). Gleich zu Beginn prallen in Johannes Reitmeiers Inszenierung Sphären aufeinander, ein Hinrichtungskommando in der Maschinenwelt des namenlos bleibenden Herrschers erledigt vor dem Volk seine blutige Arbeit, der Chor jedoch beschwört: "Selig sind die Liebenden": Das weltflüchtige Mysterium im sozialkritischen Kontext, das wird über mehr als drei Stunden immer wieder nebeneinander stehen.

Einen ebenfalls namenlos bleibenden "Fremden" soll Heliane, die Gattin des Herrschers, wieder zum Leben erwecken, ein Fremder, der zugleich dem Volk und der Gattin den Gedanken der Menschenliebe nahebringt und vom darum doppelt zum Todesurteil motivierten Herrscher hingerichtet wird. Das Wunder ist ein Gottesbeweis, eine "Bahrprobe": Heliane gelingt es, den Toten wieder zum Leben zu erwecken, unter Flammenlodern geht das Paar ein in die Ewigkeit.

Reitmeiers Inszenierung im maschinenhaften Bühnenbild von Daniel Dvorák stellt sich dazu mit filmischen Einblendungen kaum auf Distanz, verankert das Geschehen etwa mit der Arbeiter-Kostümierung des Chors (von Thomas Dörfler) in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bedauerlich: Tenor Norbert Schmittberg kann seine messianische Rolle als Fremder vokal überhaupt nicht beglaubigen, Spitzen brechen ihm weg, eng und forciert klingt er, während Sally du Randt als Heliane mit herber Tiefe, aber auch frei ausschwingenden Höhen und weitem Atem zu Korngolds langen Linien glänzt. Ihr Gatte, der Herrscher, wird von Derrick Lawrence zuverlässig, dessen androgyne Botin von Silvia Hablowetz vokal scharfkantig gezeichnet. Chor, Extra-Chor und Orchester des Pfalztheaters erwecken unter der Leitung von Uwe Sandner Korngolds Wunder-Oper mit manchmal etwas ungezügelter Kraft, aber hoch konzentriert, technisch äußerst zuverlässig und in all ihrer tönenden Farbopulenz auf respektable Weise zum Leben.